Wussten Sie, dass in einem Streuobstwiesen-Biotop bis zu 5.000 unterschiedliche Arten von Pflanzen und Tieren leben?
Für die einen sind Streuobstwiesen ein unrentables landwirtschaftliches Auslaufmodell, für die anderen sind sie der Inbegriff von ökologisch hochwertigen Flächen, die unsere Landschaft zugleich positiv beleben. Noch stehen auf den meist ortsnahen Obstwiesen im Rheinland – bei uns mit Schwerpunkten z.B. in Gönnersdorf, Waldorf und Sinzig – teils hundertjährige Bäume mit jeweils eigenem Charakter. Noch stellen sie einen bedeutsamen Faktor bei der regionalen Erzeugung von Obst dar, dass als Tafelobst oder für die Verarbeitung, z.B. für Säfte, Apfelwein, Birnenkraut oder Obstbrand, genutzt wird.
Kein anderes Kulturbiotop in Mitteleuropa weist mit insgesamt ca. 5.000 Arten, vom Grünspecht bis zum Wald-Goldstern, eine so hohe biologische Vielfalt auf. Hinzu kommen tausende Obstsorten, wie die Goldrenette Freiherr von Berlepsch oder die Pastorenbirne. Die Möglichkeit der Doppelnutzung (Wiese sowie Baumschicht) haben seit dem 16. Jh. unsere Bongerte, wie die Streuobstwiesen auch heißen, entstehen lassen. Das Vieh, der Mensch und auch die nicht zu großen landwirtschaftlichen Maschinen haben unter den hoch ansetzenden Kronen Platz. Auf das Grünland fällt genügend Licht für eine rentable Bewirtschaftung. Weidetiere freuen sich an heißen Sommertagen über den Schatten und über einen Nachtisch von oben.
Es fällt schwer, mit den Vorzügen dieses einzigartigen Biotops aufzuhören. Der chemiefreie und in jeder Hinsicht umweltfreundliche Anbau hochwertigen, aber nicht immer makellosen Obstes (ja, ein Schorffleck darf auch mal auf dem Obst sein), begeistert zum Glück wieder viele Leute, auch junge Familien. Auch wenn man sich mal über Apfelwickler, Kirschfruchtfliegen, Blattläuse, Birnengitterrost und Mehltau ärgern mag, das System ist aufgrund der zahlreichen Akteure („Nützlinge“ und „Schädlinge“) so stabil, dass es nicht zu größeren Schäden kommt.
Die Goldparmäne:
500 Jahre alt ist diese auf Obstwiesen noch vertretene Sorte
Streuobstwiesen sind ein elementarer Teil unserer gewachsenen Kulturlandschaft. Und sollen es bleiben. Früher wurden sie durch unsägliche Rodungsprämien vernichtet, heute sind sie insbesondere durch Bebauung und Verwahrlosung bedroht. Genießen Sie demnächst mal wieder einen Spaziergang durch unsere Obstwiesen entlang von Apfel-, Birnen, Kirsch-, Pflaumen- und Walnussbäumen. Je nach Jahreszeit erwartet Sie der Steinkauz in einer bizarren Baumkrone, das Bild von hunderten weiß und rosa blühenden Bäumen oder aber sie werden von der Fülle reifenden Obstes erschlagen – hoffentlich nur im übertragenen Sinn.
Streuobstwiesen bieten für den kleinen Steinkauz einen idealen Lebensraum
Seit 2001 zählt der Streuobstanbau übrigens zum immateriellen Erbe der UNESCO und seit 2022 gehören die Streuobstwiesen außerdem zu den bundesweit gesetzlich geschützten Biotopen. Beides sind wichtige Schritte zum Erhalt dieser alten Kultur und dieses besonderen Biotops. Wir wollen zusammen mit Ihnen aktiv daran arbeiten, dass wir auch in Zukunft noch erstklassige regionale Produkte aus den Obstwiesen genießen und uns über den Ruf des Steinkauzes aus einer Apfelbaumhöhle noch freuen können.
Eine gute Möglichkeit, viele Obstsorten kennenzulernen und sich über diese näher zu informieren, ist der Streuobst-Lehrpfad in Waldorf (Startmöglichkeit in der Schulstraße). 2007 wurde er als erster Lehrpfad dieser Art im Kreis Ahrweiler eröffnet. Auf einem Rundweg von ca. 2 km Länge gibt es zu ca. 40 Obstsorten Steckbriefe. Man trifft auf gepflegte und ungepflegte alte und junge Bäume. Auf drei großen Infotafeln werden der Lebensraum Streuobstwiese und seine Bewohner (z.B. Moose, Flechten, Insekten, Spinnen, Reptilien, Vögel, Mäuse, Fledermäuse, Bilche, Igel, Hasen, Marder, Füchse, Rehe …) vorgestellt. Der Lehrpfad wird durch Mitglieder der Naturschutzgemeinschaft unterhalten. Unter anderem für Schulklassen bieten wir Führungen an.