Bild: Bad Breisiger Echo 19/1991
Wer heute über den „Scheid“ wandert oder spaziert und dort am Öko-gestylten „Abfallwirtschaftszentrum“ des Kreises Ahrweiler vorbeikommt, hat höchstwahrscheinlich keine Ahnung, welchen Kampf es gekostet hat, nur dieses kompakte Zentrum auf 6 ha hier zu bauen. Ursprünglich sollte hier 1988, so ging das Gerücht, eine Kreisdeponie auf 60 ha geplant sein. 1991 war der Plan auf 30 ha Deponie zusammengeschnurrt (40 Meter hoch), die immer noch einen Großteil des „Scheid“, den 300 Jahre alten Wald, Wasserreservoirs, Fauna und Flora großflächig vernichtet hätte, ganz zu schweigen vom rapiden Verlust an Lebensqualität und Immobilienwerten in den umliegenden Dörfern.
Als erste Planungen des Kreises Ahrweiler im Jahre 1988 an die Öffentlichkeit kamen, sorgte das für helle Aufregung und führte zur Gründung des „Verein für Landschaftsschutz und Ökologie e.V.“, Gönnersdorf, unter dem Vorsitz von Helmut Kittner im selben Jahr, sowie zur Formierung von ähnlichen Initiativen in den angrenzenden Gemeinden von Waldorf (Naturschutzgemeinschaft Vinxtbachtal), Niederzissen und Burgbrohl-Weiler (Vereinigung Umwelt- und Landschaftsschutz).
Heute, 32 Jahre später, ist vergessen, welche Arbeit sich die Bürgerinitiativen damals aufschulterten, um die Planungen des Koblenzer Ingenieurbüros Björnsen für die Deponie zu durchleuchten, – eines Planungsbüros, das im Auftrag des Kreistags über die Kreisverwaltung Ahrweiler sogar empörendeweise auch noch als seine eigenen Planungen beurteilendes und ausführendes Büro funktionierte.
Die Initiativen der Dörfer fanden sich zusammen in einer dann über Jahre hinweg höchst kooperativen ehrenamtlichen Arbeitsgemeinschaft. Man erarbeitete sich in einem Expertenkreis von einem knappen Dutzend besonders Hartnäckiger jeden einzelnen Planungsbereich, sah sich meterweise Planungsunterlagen auf jedes Detail durch, formulierte Kritiken, schrieb Einwendungen, machte Eingaben an den Kreis und sogar an den Petitionsausschuss des Landtages, – und engagierte schließlich, als der Kreis stur blieb, gemeinsam den Spezialanwalt für Verwaltungsrecht Kall aus Moers, der mit Deponieverfahren viel Erfahrung hatte. Einen langen Atem brauchte es, denn die Politiker im Kreis, die CDU-Abgeordneten und besonders die eigentlich zuständigen Grünen, die unbedingt eine alternative Verbrennungsanlage verhindern wollten, hatten Einsichtsprobleme ohne Ende. Das öffentliche Echo auf den Widerstand war beträchtlich. Eine erste Großdemonstration versammelte sich auf dem Scheid schon 1988, weitere folgten in den Jahren danach.
Die Evangelische Kirchengemeinde Bad Breisig organisierte Wanderungen auf den Scheid mit Andacht am Ort der geplanten Deponie; einzelne Bürger kauften Waldbesitzern auf dem Scheid Waldstücke im Deponiebereich ab, um es auf einen Enteignungsprozess ankommen zu lassen; die Jagdgenossenschaft Gönnersdorf und Privatleute stellten erkleckliche Summen für Bohrungen, Gutachten und Prozesskosten zur Verfügung. Der Gönnersdorfer Verein verzeichnete knapp 160 Mitglieder, die anderen Initiativen fast ebenso viele. Die offiziellen Informationstermine des Kreises, die Experten-Anhörungen in den Scoping-Versammlungen, waren ebenso voll wie die der vereinigten Initiativen. Vergessen ist heute, mit welcher Penetranz damals Björnsen-Ingenieure und die Kreisverwaltung darauf bestanden, alles zu wissen und den Initiativen Uninformiertheit unterstellten; vergessen sind die Einschüchterungsversuche und Maulkörbe für nicht-genehme Experten und die von den Initiativen auf eigene Kosten erstellten Gegengutachten. Schon Anfang 1990 sollte ja eigentlich der Deponiebau losgehen.
Das Ziel der widerständigen Initiativen war, durch alle möglichen Aktionen die Umsetzung der Planungen immer wieder hinaus zu zögern, um mögliche politische Veränderungen nutzen zu können. Und die kamen nach dem Regierungswechsel in Rheinland-Pfalz unter der Ägide des damaligen Umweltministers Töpfer mit der Technischen Anleitung Siedlungsabfall (TASi) als Anleitung zum Bundes-Abfallgesetz von 1993. Angesichts der stets steigenden Abfallmengen und der durch unbehandelte Deponierung verursachten enormen Umweltschäden verbot diese Anleitung die Deponierung unbehandelter Abfälle spätestens ab 2005: ab 2020 die Deponierung überhaupt.
Anstoßen auf den Sieg der Vernunft
Noch jahrelang zogen sich die Gerichtsverfahren und Einsprüche hin bis zur Beschwerde bei der EU-Kommission in Brüssel, in denen mehr und mehr nicht-Björnsen Gutachter sich gegen den Deponiebau wandten – bis dann am 08.12.2000 endlich der Knoten platzte und der Kreistag bei 1 Enthaltung beschloss, neue Expertisen in Auftrag zu geben, um die Planungen der inzwischen auch wirtschaftlich-ökologisch völlig veränderten Lage anzupassen. Schon im Sommer darauf, im Juni 2001, beschloss der Kreistag dann einstimmig, den Deponiebau fallen zu lassen und bei der erheblich kleineren Umladestation zu bleiben, die schon 1997 ihren Betrieb aufgenommen hatte und die wir als „Abfallwirtschaftszentrum“ kennen. Dass sich dann alle Parteien des Kreistages beglückwünschten, schon immer das Richtige gewusst oder getan zu haben, – geschenkt.
Den Umweltinitiativen blieb danach noch die Aufgabe, eine kleine Waldgedenkstätte für die Rettung des „Scheid“ einzurichten und in jüngerer Zeit dann auch noch den Rest des Vereinsvermögens der Gönnersdorfer für das Aufstellen stabiler Ruhebänke an den Wanderwegen auf dem „Scheid“ zur Ver-fügung zu stellen.
Nun, gut 30 Jahre nach dem „Sieg“ sind schon einige der damaligen Kämpfer der ersten Reihe nicht mehr unter uns: der erste Vorsitzende des Gönnerdorfer Vereins, Helmut Kittner, die Förderer Klaus Schäning und der CDU Kreistagsabgeordnete Friedhelm Schnitker, der Initiator in Niederzissen, Harald Lüdemann, der eifrige Ludwig Wasserscheidt aus Burgbrohl-Weiler und, nicht zu vergessen, der unermüdliche Rechtsanwalt Klaus Kall. Andere sind weit fortgezogen wie das Ehepaar Hennemann nach Österreich, die Gamerschlags nach Berlin. Der Gönnerdorfer Verein ist nun seit fast 20 Jahren der „Ruhe“ bereit, den Stab weiter zu geben und seine alte Geschichte mit der der jüngeren Waldorfer „Naturschutzgemeinschaft Vinxtbachtal e.V.“ zu verbinden.